Und wieder passend zum heutigen 70jährigen Jubiläum des zweiten Atombomben-Einsatzes auf Nagasaki, hat sich unser Gastautor Daniel von Computerspielarchäologie.de seine Gedanken über die Verpackung der im Herbst erscheinenden Fallout Anthology weiter gesponnen. Teil 1 des Artikels findet ihr hier.
Was soll das Ganze?
Um diese Frage zu beantworten, hilft vielleicht ein Blick auf die Struktur bzw. die Führungsetage der ZeniMax AG, zu welcher Bethesda gehört. Diese ist interessanterweise von einem der beiden Bethesda Gründer (Christopher Weaver) ins Leben gerufen worden. Der Plan war Bethesda finanziell wieder auf Vordermann zu bringen und neues Kapital zu generieren um die Kosten der Spieleentwicklung besser abfedern zu können.
Werfen wir einen Blick auf die Aktionärsstruktur. Die Hauptanteilseigner sind neben der ProSiebenSat1 Media AG eine Risikokapitalgesellschaft. O.K., beides sind Informationen welche wenig Aufschluss geben.
Widmen wir uns als nächstes dem Aufsichtsrat der ZeniMax AG. Hier fallen vor allem zwei Namen auf: Es handelt sich um Robert S. Trump und Jerry Bruckheimer. Trump ist Präsident bei Trump Management Inc. und der Bruder des möglichen zukünftigen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, Donald S. Trump. Dieser ist in seinem Wahlkampf gerade dabei den bisherigen Spitzenkandidaten Dick Cheney von rechts zu überholen. Freilich kann man über den Bruder nur spekulieren, klar sein dürfte jedoch, dass dieser wohl kaum als Kandidat für die Demokraten ins Rennen gehen würde.
Bei Bruckheimer ist die Sache etwas einfacher. Als Mitglied und Unterstützer der Republikaner (Er war Wahlkampfhelfer für die beiden Bushs) macht dieser keinen Hehl aus seiner politischen Einstellung. Als Sympathisant der Waffenlobby (wie die meisten Republikaner, es gibt aber auch direkte Geschäftsbeziehungen) hätte er vermutlich nichts dagegen, wenn tatsächlich Uran-Munition und kleine Atomwaffen zur individuellen Selbstverteidigung eingesetzt würden. Ok, ich gebs zu, dass war stark überzogen. Das er jedoch schon lange mit dem Militär zusammenarbeitet, ist nicht zuletzt seit seinen Kino-Kassenschlagern Top Gun und Pearl Harbor ersichtlich und bekannt.
Inwieweit Teile des Aufsichtsrats repräsentativ sind oder Einfluss auf Firmenkultur und kreative Entscheidung nehmen können, bleibt natürlich rein spekulativ.
Bekannt ist jedoch, dass Bruckheimer bereits in der Vergangenheit starke Ambitionen hatte auf dem Spielemarkt mitzumischen. Gleiches dürfte für seine Partner aus Film und Fernsehen, wie das US Militär, gelten. Ein ähnlich positiver Imagegewinn, wie durch o.g. Filme, soll auch durch einen Fokus auf das Medium Computerspiel erreicht werden. Neben eigenen offiziellen Auftragsarbeiten vom Militär wie America‘s Army, soll durch geschickte Zuwendung und Posten in den Führungsabteilungen wichtiger Computerspielfirmen ebenso Einfluss genommen und Lobbyarbeit geleistet werden. Bruckheimer könnte also genau der Richtige gewesen sein, um der angeschlagenen Firma Bethesda ein paar Mark extra aus den Werbefonts der US Armee zu sichern. Eine Hand wäscht die andere, was dabei herauskommen kann, sehen wir vermutlich gerade bei der Fallout Anthology.
Ich behaupte nicht, dass das Militär oder die Waffenlobby einen direkten Nutzen davon hat, diese Spielbox in Form der ersten Atombombe zu wählen, jedoch könnten die o.g. Konstellationen dazu geführt haben, einen weniger kritischen und satirischen Ton anzuschlagen. Ich hätte mir z.B. , auch auf Grund der ähnlichen Silhouette, Schnuller für Kinder, in Form von kleinen Atompilzen, vorstellen können. Oder als Mobilee über dem Kinderbett. Oder eine Mütze. Dann wird’s auf dem Spielplatz nicht so langweilig für die Eltern.
Gimmick und Spiel
Dass die kranke Ödland-Bewohnerschaft die Atombombe nach wie vor fetischiert ist auf Grund der Geschichte der Spielwelt nachvollziehbar. Dass wegen der Macht und Zerstörungskraft der Bombe, Kulte um sie entstehen, verwundert auch niemanden. Und, dass der Spieler im Spiel Uranwaffen, bis hin zur richtigen Bombe einsetzen kann, ist ebenso eine Konsequenz aus der Beschaffenheit dieser Spiel-Welt.
Dieser Bezug verschwindet allerdings, wenn man versucht diesen Fetisch in Form einer Plastik in unsere (reale) Welt zu transportieren. Wenn eine besondere Edition erworben wird, dann möchte der Spieler damit seine Verbundenheit mit dem Spiel und einer gewissen Begeisterung Ausdruck verleihen. Die Wackel-Figur oder die Brotbox aus der Special Edition von Fallout 3 sind nerdig, trashig und zeitlos, kurzum: Eine gute Werbung. Ein Atombombenmodell im Wohnzimmer jedoch, scheint mir keine dieser Eigenschaften zu besitzen. Zumal der Vergleich der Anthology Bombe mit zahlreichen im Fachhandel erwerbaren Repliken der “Fat Man” höchstens marginale Abweichungen erkennen lässt.
Es fällt mir schwer den Anblick dieser Bombe mit Erinnerungen an Fallout zu verbinden. Die Atombombenabwürfe 1945 auf Japan haben, wie kein anderes Ereignis zuvor, Spuren im Bewusstsein aller Menschen hinterlassen. Sie sind der bis dato größte Schrecken der Menschheit und Teil einer weltweit praktizierten Erinnerungskultur. Die beiden Atombomben, ihre Form und der typische Explosions-Pilz sind Symbole, so stark und präsent, wie kaum andere. Es scheint mir die denkbar schlechteste Wahl zu sein, um als Nerd-Accessoir auf dem Gamer-Schreibtisch zu landen. Hierin könnte man sogar eine Provokation erkennen, wenn auch bestimmt keine gewollte.
Denn es bleibt was es ist: das Modell einer (realen) Atombombe und als solche ist sie klar als eine leichte Variation der Nagasaki-Bombe zu erkennen. Dass dies kein Versehen ist, zeigt die Rücksichtnahme Bethesdas auf den japanischen Konsumenten, da eine Version für den dortigen Markt nicht vorgesehen ist.
Dass im Land der Mangas, die Verwendung von Atomwaffen innerhalb dieser populärkulturellen Sphäre in irgend einer Weise tabuisiert ist, wage ich stark zu bezweifeln. ZeniMax gibt damit indirekt zu, dass es kein cooles Sammel- und Gaming-Accessoire ist, sondern mindestens eine peinliche Gschmacklosigkeit.
Der Skandal (in Japan) wäre perfekt, eine US-Spielefirma möchte gerne Hunderttausende Kopien ihrer neuen Sammeledition in den japanischen Handel bringen, deren Alleinstellungsmerkmal ausgerechnet ein Modell jener Massenvernichtungswaffe ist die bis Heute Hunderttausenden das Leben gekostet hat und deren verheerende Wirkung bis heute anhält.
Man stelle sich vor, halb Tokio zugekleistert mit riesigen Reklametafeln auf denen die Bombe (den Hinweis auf den authentischen Soundeffekt nicht zu vergessen) nebst Fallout Anthology zu sehen ist. Bei der Vorstellung musste wohl selbst bei ZeniMax jemand schlucken. Ob, aber Bethesda durch diesen Rückzieher vom japanischen Markt womöglich auf den Topseller des Jahres verzichtet hat, werden wir wohl nie erfahren. Schade, ich hätte mich sonst schon auf die „Battlefield: Agent-Orange Edition“ speziell für ein Vietnam gefreut. Electronic Arts schläft bei so etwas nämlich auch nicht.
Nirgends sonst wird klarer, dass es sich um ein Symbol handelt welches bis Heute auch fester Bestandteil einer Nationalen Erinnerungskultur in den USA ist, welche den Mythos am Leben hält. Der Einsatz der Bomben war militärisch unnötig und hat den Krieg nicht zu einem schnelleren Ende gebracht. Sie war aber stets ein hilfreiches (macht-)politisches Instrument, um nationale Interessen durchzusetzen. Aus diesem Grund wird die Bombe von weiten Teilen des US-Etablishements und der Bevölkerung eher als positive, nationale Errungenschaft gewürdigt. Ich stelle die Vermutung an, dass diese Auffassung auch von den Mitgliedern des Aufsichtsrat der ZeniMax AG geteilt wird. Schließlich ist, wie wir alle gelernt haben, Frieden ohne ein “abschreckendes Arsenal“ an Atomwaffen heutzutage immer noch undenkbar.
Die Waffe war zudem fast ein Exportschlager, viele Staaten konnten es gar nicht abwarten, sich auch eine zuzulegen. Und was gut ist setzt sich doch schließlich immer durch, oder nicht?
Es ist mehr als schade, dass Bethesda mit diesem Gimmick nicht nur die Welt von Fallout ab absurdum führt, sondern auch Gefahr läuft ein politisches Statement abzugeben, was in jedem Fall kein Imagegewinn für die Firma sein dürfte. Auch bleibt zu hoffen, dass dieses hier zur Schau gestellte Unverständnis bezüglich der Fallout-Welt und ihrer Beschaffenheit nicht dazu führt, die Eigenständigkeit und Existenzberechtigung dieser Spielreihe zu untergraben.
Zum Glück gibt es ja noch Wasteland 2. Als ob Brian Fargo geahnt hätte, was Bethesda im Schilde führt. Da muss halt Opa wieder ran (Wasteland ist gemeint, nicht Fargo!) Und das scheint mir auch ganz gut so.
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