Passend zum heutigen 70jährigen Jubiläum des ersten Atombomben-Einsatzes auf Hiroshima, hat sich unser Gastautor Daniel von Computerspielarchäologie.de Gedanken über die Verpackung der im Herbst erscheinenden Fallout Anthology gemacht. Warum die Verpackung nicht ganz zum Inhalt passt und wer eigentlich hinter der Firma Bethesda steht, erzählt er euch in seinem Artikel (1/2).
Wenn die Menschheit die Kurve nicht bekommt
Die fiktive Welt von Fallout besteht aus den Resten einer Gesellschaft, aus Überlebenden einer Ära, welche (Kriegs-)Technik und Atomwaffen bis zur Perversion verherrlicht, genutzt und dadurch den eigenen Untergang heraufbeschworen hat.
Übrig geblieben sind die Propaganda, die Lügen und Artefakte aus einer Zeit, welche dem realen Amerika der 1950er-Jahre ähnelt. Das politische Klima in den USA dieser Zeit, war geprägt von Misstrauen und Rassismus. Nach zwei gewonnenen Weltkriegen und seit dem Bau der Atombombe herrschte der Glaube an die positive Kraft von Massenvernichtungswaffen vor. Es war ebenso eine Zeit der Bespitzelung und des Misstrauens, in öffentliche Kampagnen wurde gegen Kreative und Intellektuelle Stimmung gemacht, die Mafia hatte mit Kuba fast einen eigenen Staat, es herrschte Korruption und ein Klima, welches unter dem Deckmantel des Antikommunismus Menschen ihre Freiheit nahm. Diese Zeit wurde durch Fallout gnadenlos und treffend karikiert.
Die Spiele-Serie knüpft an diese Zeit an und zeigt was passiert wäre, wenn die Spirale der Gewalt und Unfreiheit sich noch ein wenig weiter gedreht hätte. Fallout wirft den Spieler in eine Welt nach dem atomaren Weltkrieg. Eine Welt in der jegliche Zivilisation und Menschlichkeit, wie wir sie kannten, verschwunden scheint und kein Recht und Gesetz gilt. Einsame Helden durchstreifen die Wüste, jeder denkt an sich selbst und es wird zusammengerafft, was man erbeuten kann. Geteilt wird nicht.
Hier fand auch der Brückenschlag zu unserer Welt statt, dem beginnenden Neoliberalismus der frühen 1980er Jahre, seit dem Regierungsantritt von Ronald Reagan bis hin zur „New World Order“ der frühen 1990er. Nicht ohne Grund erlebte auch das Genre der Endzeit- und Fantasy-Filme zu dieser Zeit seinen Höhepunkt. Man denke nur an Mad Max Filme, Die Klapperschlange oder den ersten Conan-Film. Hier wurde ganz klar gezeigt, was passieren kann, wenn die Menschheit die Kurve nicht bekommt.
Bethesda übernimmt das Ödland
Das Intro von Fallout beginnt mit den Worten „Krieg ist immer gleich…“.
Mit schwarz-weiß Aufnahmen aus den letzten Weltkriegen, aufbereitet im Stil von alten Wochenschauen, wird der Spieler gleich zu Beginn, mit unserer jüngsten Geschichte konfrontiert. Das Mediengedächtnis des bewanderten Spielers wird genutzt, um eine authentische Intro-Atmosphäre mit Gänsehaut-Effekt zu generieren.
Das kann man getrost als Hommage an George Miller (Mad Max) sehen, welcher auf gleiche Weise seine Filme beginnen läßt und diese Art von Aufnahmen dann wohl meist ausgestrahlten Videodokumente überhaupt sein dürften.
Der Bezug zu Wirkung und Schrecken der mit der Bombe einhergeht, weisen Spiel und Film gleichermaßen auf. In diesem Kontext ergibt das „Atombomben-Gimmick“ der Fallout Anthology erst recht keinen Sinn. Doch dazu später mehr.
Bethesda hat die Markenrechte des Fallout-Franchise zu einer Zeit erworben in der der Stern von Interplay Productions (bzw. später Entertainment), den Entwickler der ersten beiden Fallout-Teilen, bereits lange verblasst war. Die Firma hat zu dieser Zeit mehr oder weniger nur noch auf dem Papier existiert. Also gut zehn Jahre vor der kürzlich erfolgten Wiederbelebung durch eine erfolgreiche Kickstarter-Kampagne für Wasteland 2. Bethesda machte also das was Sie am besten können:Sie produzieren das erste Fallout-Spiel in 3D: Fallout 3. Es wurde sehr amerikanisch, aber durchaus den beiden Vorgängern entsprechend.
Bestehende Elemente wurden erweitert (wie die Slowmo-Splatter Cam), aber insgesamt wurde sehr vorsichtig und konservativ umgesetzt, was es auch schon in damals in 2D gab – wohl auch um die Fans nicht zu verschrecken.
Fallout Anthology mit der Bombe
In einer Zeit in der kriegerische Auseinandersetzungen vielerorts zunehmen und die ehemaligen Supermächte ihr Atomwaffenarsenal modernisieren, was könnte da fragwürdiger sein, als eine Fast-Replik der zweiten abgeworfenen Atombombe „Fat man“ als Verpackungsgimmick der Fallout Anthology zu verwenden? Und das genau 70 Jahre nach den Abwürfen der beiden Atombomben auf Japan! Kein Wunder, dass sie diese Edition nicht in Japan auf den Markt „werfen„. Übrigens: „includes audible bomb sound“. Wow! (News bei Gamestar)
Satire ist immer ein schmaler Grat, bei dem es an Fingerspitzengefühl nicht mangeln sollte. Aber anstatt zu provozieren, bedient man sich hier eines fragwürdigen und platten Gimmicks.
Wenn die erste eingesetzte Atombombe durch Fallout zum Sammelobjekt wird, läuft etwas falsch. Daran ist nichts Subversives mehr zu erkennen, denn sie läßt sich schwer von anderen Militär-Devotionalien unterscheiden. Natürlich haben Patriotismus und Militär in den USA einen anderen Stellenwert als hier zu Lande, was auch z.B. Merchandising und Spielzeug vor allzu kritischen Blicken schützt. Dennoch, die Beigabe zu Fallout Anthology bedeutet nichts anderes, als die Atombombe auf ein witziges Accessoire zu reduzieren. Oder in Form eines Sammelobjektes zu fetischieren. Was außerhalb der Spielewelt längst geschehen ist.
Was jedoch bei dieser Packung völlig fehlt ist die Meta-Ebene, wie die einer Satire innewohnende Kritik. Stattdessen ist dieses Objekt gekennzeichnet durch die schlichte Unmöglichkeit von diesem eine solche abzuleiten.
Mit den Rechten an der Marke Fallout verfügt man ein über ein Stück popkulturelle Referenz, welche gerade was die Nerd-Kultur bei Spielern angeht, einen hohen Stellenwert hat. Man sieht dieser Anthology-Version die Nähe zu Fallout aber nicht an. Zumindest kann ich auf den Fotos nichts erkennen. Keinen Schriftzug und auch keinerlei spezielles Design bei welchem ein fiktionaler Charakter sichtbar wäre. Gut, Rost und Bemalung evtl. Aber man kennt das Original zumeist nur von alten Schwarz/Weiß Aufnahmen.
Global betrachtet befinden wir uns gegenwärtig in einer neuen Phase des Wettrüstens welches sich u.a. in der Modernisierung und Aufstockung des Atomwaffenarsenals der der ehemaligen Supermächte zeigt. (–> U.S. Ramping Up Major Renewal in Nuclear Arms; USA wollen Atomwaffen in Deutschland erneuern)
Wie nah die ZeniMax Media Inc. (Bethesdas Mutterfirma) an tatsächlichen Erinnerungsobjekten ist zeigt eine kurze Recherche bei Amazon.
Wer tatsächlich hinter Bethesda/ZeniMax steht, warum diese Art von Sammler-Objekten deswegen irgendwie Sinn macht und wieso das Gimmick nicht zur Fallout-Reihe passt, erfahrt ihr im zweiten Teil des Artikels.
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