Altherren-Nerds retten die Welt: Buchkritik „Der Bug“

Das Nerdtum kriecht langsam aus seiner Nische und mausert sich zu einer angesehenen Kaste der Gesellschaft. Ein Nerd ist eben doch kein pickeliger Brillenträger-Teenie. Auch sie werden erwachsen. Constantin Gillies gehört dieser Kaste an und er schreibt Bücher. Über Nerds, die die Welt retten. Ein Buch für alle Retrofans und die, die in den 80ern und 90ern groß geworden sind.

“Extraleben“: Gillies erster Streich

„Der Bug“ ist der Nachfolgeroman von Gillies Debut „Extraleben“ und es ist Fakt, dass sich der Nachfolger besser liest, wenn man das erste Buch auch kennt. In „Extraleben“ begleiteten wir die beiden Altherren-Nerds Nick und Kee, die mit ihren Mitte 30 schon voll im Leben stehen, aber immer noch in der Vergangenheit schwelgen. Retro eben, da wird vor „alt“ immer ein „gut“ gesetzt. Als Digital-Archäologen jagen sie im ersten Buch bei einem Roadtrip durch die USA Legenden aus der guten, alten Zeit hinterher. Doch bald geht es um mehr als die Frage, wo die berühmten E.T.-Cartridges vergraben wurden. Eine mysteriöse Nachricht führt sie immer tiefer in eine Verschwörung, die mit einem beinahe übertriebenen Showdown in Grönland endet.

Die Nerds sind nun richtig erwachsen: „Der Bug

Kommen wir zu Gillies zweitem Buch „Der Bug“: In Nicks und Kees Leben ist erst einmal wieder Ruhe eingekehrt. Beide sind auch ein Stück weit erwachsener geworden, Nick führt gar ein Spießerleben mit Haus, Frau und Garten. Doch im Herzen bleiben beide Nerds und huldigen immer noch gerne der Vergangenheit. Und genau diese Passagen machen das Buch lesenswert. Sehr oft schwelgt man als Leser einfach mit und erinnert sich zusammen mit den beiden Protagonisten an die guten, alten Zeiten. Teilweise werden Nick und Kee schon fast philosophisch und sentimental Und irgendwo findet man sich als Leser selbst wieder.

Gedanken von Kee während beide in Nicks Spießergarten bei Bier und 90er-Musik den Abend genießen (Seite 57):

„Da sitzen wir also in unseren Lehnstühlen, die letzte Mannschaft, auf dem letzten Außenposten. Gleich hinter dem Gartenzaun lauert die Zukunft. Wenn wir viel Glück haben, können wir sie noch für die Länge eines Songs aufhalten, bevor sie uns mit Petabyte-Rechnern, Chinesen und dem ersten Pflegefall in der Familie überrollt. Wir treiben in einer Nussschale durch die Dunkelheit – zwei verdammt müde Wohlstands-Homies.“

Doch wieder erwartet die beiden ein Abenteuer, als sie den alten Laptop (Baujahr 1982) vom verstorbenen Computerpionier Charles Irving bekommen. Irving hat geheime Daten versteckt und der riesige alte Laptop verbirgt einige Hinweise. Eine Aufgabe für die beiden Althacker. Ihre Suche führt sie diesnmal über Malaysia bis in die USA, wo sie eine ungeheure Entdeckung machen. Natürlich sind sie nicht die einzigen, die dem Geheimnis auf der Spur sind. Auf ihrer Reise haben sie aber auch endlich wieder einmal Zeit, das zu tun, was sie schon seit ihrer Jugend tun: Über bessere Zeiten diskutieren.

Kee moniert an ihren Dienstwagen-Modellen, die von der Firma regelmäßig ausgetauscht werden (Seite 68):

„Die Kisten haben ohnehin keine Chance gegen den geilsten Wagen der Welt – deinen ersten eigenen. Dieses Wrack, mit dem du zehn Semester lang in Symbiose gelebt hast. In dem du gepennt und geheult hast, in dem du bei MickeyD einen Cheeseburger geholt hast. Auf dessen Motorhaube du mit dieser Theologiestudentin gefummelt hast – nicht weil es so gut war, sondern um den Kumpels am nächsten Tag ganz zufällig den Schenkelabdruck zeigen zu können. Nein, dieses Auto bricht nicht – wie Christine – eines Nachts vom Hof des Autoverwerters aus, um wieder vor deiner Tür zu parken, als ob nichts gewesen wäre. Nein, deine heiligen Schlüssel haben ihre letzte Reise längst hinter sich, und alle Wagen, die nach ihr kommen, sind nur noch Fortbewegungsmittel.“

Dialog der beiden über das „perfekte Geek-Jahrzehnt“, die 70er (Seite 110):
„Die erste Hälfte der Siebziger war der perfekte Moment, um als Geek geboren zu werden: Man konnte Star Wars im Kino sehen…“
„…und wenn man sich mit einem schwarz angesprühten Feuerwehrhelm als Darth Vader verkleidet, hieß das noch Karneval und nicht Cosplay!“
[…] Aber bei seiner Rede zum perfekten Geek-Jahrzehnt vergisst Nick immer die andere Seite: Wir wurden ja nicht nur am Morgen der digitalen Revolution geboren, sondern auch am Abend der analogen Ära, wir konnten das Beste aus beiden Welten genießen. “

Fazit

Genau wie „Extraleben“ ist „Der Bug“ leichte, aber gute Unterhaltung, falls man mit den selben Dingen aufgewachsen ist,wie die beiden Protagonisten. Sprich, ein Buch für Nerds, die zwischen 1970 und 1990 geboren wurden. Wie schon der erste Band ist „Der Bug“ nicht sonderlich spannend und die Geschichte ist eher nebensächlich. Erst die Gedanken, Anspielungen und fachlich korrekten Fakten der beiden Protagonisten machen die Lektüre so richtig interessant. Und wer „Extraleben“ mochte, der wird auch „Der Bug“ gerne lesen, selbst wenn das erste Buch von Gillies irgendwie besser war.

Postmodernes Buch-Marketing

Nicht nur, dass der CSW-Verlag uns zum Muster des Buches eine ziemlich coole CD-Hülle mitgeliefert hat (Siehe Artikel: Retro-Presskit) wir erlebten noch eine weitere Überraschung beim Inhalt der Presse-CD. Es gibt Trailer zu Büchern! Einen richtigen Trailer mit bewegten Bildern zu einem Buch! Wie geil ist das denn!? Diesen wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten.

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2 Gedanken zu „Altherren-Nerds retten die Welt: Buchkritik „Der Bug“

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