Kickstarter – Für und wider dem Crowdfunding

Seit 2009 ist Kickstarter einer der Zugpferde des neuen Crowdfunding-Trends, der sich in vielen Bereichen ausgebreitet hat. Ob Game, Film, Musik oder neue Technik-Gadgets, für alles gibt es viele massenfinanzierte Projekte, manche erfolgreich, manche nicht. Seit 2010 habe ich auch einige Projekte finanziell mit unterstützt und möchte jetzt, fünf Jahre danach, ein Fazit ziehen.

An für sich finde ich, als Fan von Open Source Entwicklung, das Crowdfunding eine richtig gute Sache. Interessierte Menschen können ihr Vertrauen und Unterstützung einem Projekt geben, das es vielleicht so nie gegeben hätte. Ein Sprungbrett für viele Indie-Produktionen und somit auch ein Chance der „Kleinen“ in hart umkämpften Märkten, in denen die große Global-Player bisher das Sagen hatten. Aber dennoch gibt es natürlich auch im Crowdfunding viel Müll und gescheiterte Existenzen.

Ich habe seit 2010 sieben Projekten auf Kickstarter durch eine kleine finanzielle Spende mein Vertrauen und Interesse ausgesprochen. Von den Sieben wurden sechs erfolgreich finanziert. Doch nicht nur auf Kickstarter, sondern auch auf Portalen wie Indiegogo, Startnext oder Pozible habe ich schon einzelne Projekte mitfinanziert. Hier möchte ich mich aber auf meine Erfahrung mit Kickstarter-Projekten beschränken.

Kurz-Film (2010)
Mein erstes Geld (25$) bekam ein Kurzfilm-Projekt. Der Filmemacher Christopher Salmon wollte einen einzigartigen CG-animierten Kurzfilm zur Kurzgeschichte „The Price“ von Neil Gaiman machen. Als Gaiman-Fan war ich davon natürlich sofort angetan.

Ich habe damals sogar ganz stolz darüber gebloggt.

Das angedachte Budget war 150.000$, die Unterstützer trugen 161.774$ zusammen. Ziel bzw. die Hoffnung war es im Sommer 2011 den Film fertig zu haben, den ich mit meinem Betrag als digitale Version bekommen würde. Nun, im März 2015 ist der Film immer noch nicht fertig. Die Updates zur Produktion waren im ersten Jahr noch häufig, wurden aber immer weniger. Immerhin meldete sich Salmon zum letzten Mal Ende September 2014, dass er immer noch am Projekt sitzt. Wann der Film nun fertig wird, weiß wohl gerade niemand.

Video-Spiel (2012)
Das ambitionierte „Broken Age“ von Tim „Double Fine“ Schafer war ganz groß in den Medien und nach dem Erfolg, folgten zig andere Spieleentwickler mit ihren Projekten.

„Broken Age“ sollte in klassisches Point n‘ Click Adventure werden, wie es sich die Entwickler schon immer gewünscht haben. Ich warf 15$ in den Pott und bekam dafür Mitte Januar 2014 mein Spiel, bzw. gelinde gesagt, ein Teil davon. Das Spiel sollte ursprünglich Oktober 2012 fertig werden, jedoch überforderte die Entwickler wohl auch die Tatsache, dass sie ganze 3,3 Mio $ bekamen, obwohl sie eigentlich nur nach 400.000$ gefragt hatten. Eigentlich eine wunderbare Sache, mit 3,3 Millionen Dollar kann man ein richtig hübsches Spiel machen.

Jedoch scheint Double Fine nicht wirklich gut mit Geld umgehen zu können, denn irgendwann kam die Ansage, dass sie das Spiel in zwei Akten unterteilen wollen, denn offenbar hatten sie die ganzen Millionen zu früh verballert. Ergo, Akt 1 kam mit über einem Jahr Verspätung Ende Januar 2014 und Akt 2 kommt mit nochmal über einem Jahr Verspätung erst im April 2015. Ich will auch gar nicht wissen, was Elija Wood als Gage für seinen Sprechpart bekommen hat.

Ein wenig verarscht kommt man sich da schon vor, als Unterstützer. 3,3 Mio und dann nur ein ca. vier Stunden dauernder erster Teil des Spiels? Ich mein, Akt 1 ist ein cooles Adventure, das mir Spaß gemacht hat und verglichen mit anderen Spielen, habe ich für 15$ auch ordentlich was bekommen, jedoch bleibt ein komischer Geschmack zurück.

Doctor Who Nerd-Kram (2013)
2013 ist die alte britische Kultserie „Doctor Who“ 50 Jahre alt geworden. Klar, dass BBC und alle alten und jungen Fans das ordentlich gefeiert haben. Drei Fans wollten auch etwas tun und planten eine Art Webcam-Satelliten in TARDIS-Form in den Erd-Orbit zu schießen. Als besonderes Goodie sollten Backer die Möglichkeit bekommen, eine kurze Nachricht und ein Foto auf die interne Festplatte der TARDIS zu speichern. Hier beteiligte ich mich wieder mit 25$. Das Ziel von 33.000$ übertrafen sie und bekamen ganze 88.880$, was sie für diverse Upgrades des Satelliten nutzen. Die ursprünglichen 33k waren eigentlich nur dafür gedacht, den kleinen Satelliten per Rakete auf den Weg zu bringen.

Nun… laut den Updates der Macher ist alles so weit fertig und der Raketen-Trip wurde auch nachweislich gebucht, jedoch dauert so etwas lange, denn mal eben so schnell eine Rakete in den Orbit zu schießen, mit diversen kleinen Objekten im Wert von Milliarden Dollarn will gut geplant sein. Wir wissen alle, was passieren kann, nicht erst seit dem Ariane 5 Fehlstart. So warten wir also immer noch auf den Start unserer TARDIS und Doctor Who ist inzwischen 52 Jahre alt.

Kurz-Film (2013)
American McGee wollte eigentlich einen inoffiziellen Nachfolger zu seinem klasse Spiel „Alice – Madness Returns“ machen und startete hierzu Anfang 2013 eine Kickstarter-Kampagne, die er jedoch nach kurzer Zeit wieder aufgab. Warum genau weiß ich nicht. Kurz danach jedoch kam er mit einer neuen Kampagne. Diesmal sollten es Kurzfilme rund um sein Alice-Universum werden. Das wollte ich mir nicht entgehen lassen und warf 25$ in den Klingelbeutel, wofür ich eine digitale Version der Filme bekommen soll. Von den 200.000$ bekam er 222.377$. Geplante Auslieferung war Dezember 2014 und bislang scheint nur das Artbook für die Backer mit höheren Spenden fertig zu sein. Ich warte also weiter.

Streaming-Stick (2014)
Nun wagte ich 2014 auch mal ein Technik-Gadget zu unterstützen. Für 18$ plus Versand wurde mir ein HDMI-Streaming Stick versprochen, der mit Firefox OS daher kommen soll. Im Prinzip, das was Google mit Chromecast oder Amazon mit dem Fire TV Stick macht, nur halt in angeblich besser und eben Open Source. Hier kam eine Summe von 470.310$ zusammen, das ursprüngliche Ziel war 100.000$. Geplante Auslieferung war Februar 2015. Kürzlich kam auch ein Update der Entwickler, dass sie den Release zur Qualitätssicherung um ein halbes Jahr verschieben. Die Entwickler waren sehr offen und die Verschiebung macht aus meinen Augen auch Sinn. Mal sehen, ob ich im August 2015 meinen Matchstick dann in den Händen halte.

Kürzlich habe ich noch das Projekt „Shadowrun: Hong Kong“ unterstützt, aber die Entwickler legen gerade erst los und bei Harebrained Schemes habe ich eigentlich kaum bedenken, dass sich nichts brauchbare abliefern, denn sie haben sich ja mit den Vorgänger-Titeln schon ordentlich Erfahrung gesammelt und auch ein tolles Ergebnis geliefert.

Fassen wir also mal meine Backer-Historie zusammen. Von fünf Projekten (Shadowrun lass ich außen vor), die ich unterstützt habe und die auch erfolgreich ihr Finanzierungs-Ziel erreicht haben, hat nur einer wirklich „abgeliefert“, wenn auch nur halb so viel, wie versprochen. Einer (Kurzfilm) hat sein gesetztes Release-Ziel gehörig unterschätzt und beim anderen Film-Projekt scheint dies auch gerade zu passieren. Immerhin scheinen die Projekte noch in Produktion zu sein, aber das Warten macht schon missmutig, vor allem weil kaum transparente Kommunikation dazu stattfindet.

Der Matchstick ist auch verzögert, wobei ich da Verständnis habe und die Entwickler ja auch ungeplante Features einbauen, dank der hohen Summe, die sie bekommen haben. Das mit der Rakete… nunja… da tun mir die Initiatoren auch ein wenig Leid, aber auf so einen Raketenstart hat man halt keinen Einfluss.

Ich mein, mir ist bewusst, dass Kickstarter und die anderen Crowdfuning-Plattformen keine Vorbestell-Läden sind, sondern, dass das alles Projekte sind, die ein gewisses Risiko tragen. Man darf nicht erwarten, dass man für seine „Spende“ dann wirklich etwas bekommt. Das ist ja beim Wetten auf Aktien genauso, was aber nicht mal Banker zu kapieren scheinen. Dennoch halte ich die Crowdfunding-Sache einer der besten Dinge, die in den letzten Jahren aufgekommen ist. Es fördert nicht nur die Indie-Szene in vielen Bereichen, es hilft auch gezielter Dinge für gewisse Zielgruppen herzustellen und später zu verkaufen. Es bringt mehr Vielfalt auf die Märkte. Und wir haben einige Dinge inzwischen gesehen, die wirklich großartig wurden, allein schon, dass Wasteland 2 erscheinen konnte oder das diverse Marken wiederbelebt wurden, die für tot gehalten wurden.

Ich werde weiterhin interessante Projekte mit finanzieren, auch wenn mein bisheriger Schnitt an Crowdfunding-Erfolgen recht mau aussieht.

Was mir aber abschließend ganz deutlich auffällt, wenn ich meine unterstützen Projekte so ansehe: Es fehlt wohl den meisten Entwicklern und Machern an einer klaren Projekt- und vor allem Zeitplanung. Man weiß ja, wenn ein Projekt länger als geplant geht, bedeutet das ja nicht nur, dass sich der Release verzögert, sondern auch dass die Kosten steigen. Und wenn man dann nicht mit Geld umgehen kann, geht es schnell bergab. Da beschleicht mich auch die Vermutung, dass viele Teams zu naiv an ihre Projekte herangehen. Sind das nicht vielleicht auch die Gründe, warum die meisten der Projekte überhaupt auf Kickstarter landen? Weil Publisher, Verleger oder Investoren ihnen eben kein Vertrauen und damit Geld schenkten? Zurecht vielleicht in vielen Fällen.

Oder sind wir Backer einfach zu naiv?

Ein Gedanke zu „Kickstarter – Für und wider dem Crowdfunding

  1. Thomas

    Die Meinungen zu Crowdfunding sind immer noch sehr unterschiedlich, allerdings konnten dadurch in der Vergangenheit ganz tolle Projekte auf die Beine gestellt werden. Für viele, die kein Eigenkapital besitzen, ist dies eine tolle Chance, die immer öfters genutzt wird.

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